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    U E B E R K O E H L E R


        P R E S S E T E X T


        Dem Maler und Décollagisten Reinhold Koehler, der ursprünlich aus
        Dortmund stammte und den Großteil seines Oeuvres in Siegen schuf,
        wo er 1970, erst fünfzigjährig, starb, widmet die Gemeinde Neun-
        kirchen in ihrem Bürgerhaus eine Ausstellung. Koehler und seine
        junge Familie hatten von 1945 bis 1953 in Altenseelbach, dem ländli-
        chen Nachbardorf des kleinstädtischen Neunkirchen gelebt und es hatte
        sich in Neunkirchen auch bald ein Atelier gefunden.

        Das in diesen Jahren entstandene Frühwerk des Künstlers ist Thema der
        Neunkirchener Ausstellung, deren gegenständliche Werke eine Überra-
        schung bilden für diejenigen, die Reinhold Koeh- lers Werk der Décol-
        lagen und Sandbilder in seiner Siegener Zeit verfolgten, sind doch diese
        figurativen Arbeiten selten ausgestellt worden und wenig bekannt.

        Reinhold Koehler war Autodidakt. Er hatte seine künstlerische Arbeit
        als Soldat in Frankreich und Russland begonnen, wo er Aquarelle, malte,
        zeichnete und Gedichte schrieb. An diese frühesten Arbeiten knüpfte er
        an, als er nach Kriegsende sein Leben als freier Maler, Dichter und
        Essayist in Altenseelbach begann.

        Die kommenden Jahre waren erfüllt von einer Vielzahl verschiedener
        Themen und dem Erproben neuer technischer Möglichkeiten. So zeigt
        die Ausstellung neben Erinnerungen aus Rußland und religiösen Moti-
        ven, Landschaften, Blumenstücke, Tierdarstellungen, weibliche Akte
        und Porträts in Aquarell, Gouache und Oel, in Tuschmalerei, Tusche-,
        Farbstift- und Rötelzeichnung und in Holzschnitten.

        Die Begegnung mit Russland, mit der Landschaft, der dörflichen Kultur
        und den menschen, schlug sich bis in die 50er Jahre hinein in Koehlers
        Werk - auch dem literarischen - nieder. Die Ausstellung zeigt dazu u. a.
        Dorfansichten, Strassenszenen und illustrative Blätter literarischen und
        religiösen Inhalts.

        Das häufigste religiöse Motiv bei Koehler ist die Madonna. Deutlich
        lehnt er sich hier an die von ihm bewunderten Ikonen-Madonnen an.

        Das Leben auf dem Land, das für Köhler auch eigene bäuerliche Arbeit
        auf einem zugeteilten Stück Hauberg bedeutete, brachte im bildkünstleri-
        schen Werk Landschaften aus der Umgebung und Ansichten von Alten-
        seelbach und Neunkirchen, meist in Tusche oder Aquarell in vorherr-
        schenden Braun- und Grautönen, dazu starkfarbige Blumenstücke, sowie
        eine Vielzahl von Tierbildern, in denen die Farbigkeit und die häufigere
        erdhafte Farbigkeit aus Zwischentönen bleiben auch in Köhlers späterem,
        ungegenständlichen Werk die zwei verschiedenen Wege seiner Farbge-
        staltung.

        Bei einigen dieser Landschaften und Dorfansichten, der Tierdarstellun-
        gen sowie auch der zahlreich entstehenden weiblichen Akte griff Koehler
        auf ein Verfahren zurück, das er zuerst während des Krieges 1942 in
        Rschew ausprobiert hatte. Damals hatte er den Schnee auf den Bäumen
        nicht durch Aussparung gewonnen, sondern durch Abreissen von Papier-
        stücken aus der eingefärbten obersten Papierschicht freigelegt. In Alten-
        seelbach erweitert Koehler das Abreissen zudem durch Abreiben, Ab-
        ribbeln und Aufrauen des Papiers, wobei immer andere, tiefere und an-
        ders gefärbte Schichten hervorkommen und das Bild farblich und figür-
        lich mitgestalten.

        Kartonbilder, die ihre Gestaltung ausschliesslich dem Herausreissen ver-
        danken, entstanden 1948 auf Sylt. Es ist eine Serie, die sich ausschliess-
        lich der Darstellung von Möwen widmet. Ihre Leiber und Gefieder vor
        dunkel verhangenem Himmel bestehen aus aneinandergesetzten, vom
        Wegreissen freigelegten rauen Flecken in verschiedensten Zwischentönen.

        Die in der Altenseelbacher Zeit in ihrer Konsequenz einzig dastehenden
        'Möwen' weisen vor- aus auf die Serien von ungegenständlichen Abreiss-
        bildern, die ab 1956 entstehen und denen Koehler 1958 den Namen 'Dé-
        collagen' gab (von fr. 'décoller' = entkleben, Abheben des Geklebten).

        Später erweitert Koehler seine Technik auch auf andere Materialien. So
        entsteht das ŒPrinzip Décollageš, das neben den Sandbildern das Werk
        Koehlers ausmacht.

        In ähnlicher Weise, wie die 'Möwen' auf die Décollagen vorausweisen,
        weist eine Serie von Akten in Oel, um 1950, auf die späteren, auch Kör-
        perlichkeit meinenden 'Thorax'-Sandbilder der Siegener Jahre voraus.

        Neben der Vielfalt von Motiven und Techniken, in denen sich der junge
        Künstler erprobt, zeigt die Neunkirchener Ausstellung so auch die Quel-
        len, aus denen das reife Werk Reinhold Koehlers entsprang.
            






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