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U
E B E R K O E H L E R
Heinz Reinhold Köhler war im Sommer 1945 aus dem Krieg,
den er
- von Anfang bis Ende als Soldat mitgemacht hatte, zurückgekehrt.
Auf
- einem Waldgang wurde ich mit ihm bekannt gemacht durch
seine
- Verlobte, die nach abgeschlossenem Medizinstudium mit
ihrer Mutter,
- (wie meine Familie) aus der zerstörten Stadt Siegen
in Altenseelbach
- Zuflucht gefunden hatte. Schon die aufrechte Gestalt,
der unverkennbar
- östliche Schnitt des Gesichts mit den auffallend
hellen Augen, die klang-
- volle, wohlartikulierte Rede, die leicht zereminöse
Höflichkeit, alles
- war für mich, den um Jahre Jüngeren, der sich
auf das Musikstudium
- vorberei-tete, unmittelbar anziehend. Zu seiner bald
stattfindenen Hoch-
- zeit konnte ich ein kleines Klavierkonzert beitragen,
im Neunkirchener
- Hause des verstorbenen, nicht unbekannten Malers Plontke,
dessen
- liebenswürdige Witwe, Pianistin von Profession,
großzügig ihre Räume
- zur Verfügung gestellt hatte.
Zwischen der jungen Familie Koehler und mir entwickelte sich
bald
- freundschaftlicher Umgang. Ich war ständiger besucher
in ihrer win-
- zigen, mit sparsamen Mitteln, aber höchster künstlerischer
Sorgfalt
- eingerichteten Wohnung, wo Koehler sogleich unermüdlich
zu arbeiten
- begann. In seinen ersten Bildern (ebenso wie in seinen
Erzählungen)
- klang eine unauslöschliche Erfahrung nach: die Erfahrung
Rußlands, wo
- er im militärischen Einsatz gewesen war. Es entstanden
Landschaften,
- Gestalten, Gesichter, Bäume, Blumen in intensiver
Farbgebung und For-
- mung, die leise an den Expressionismus erinnerten, neben
größeren
- Ölbildern auch Aquarelle und Zeichnungen, ferner
viele Holzschnitte,
- die durch eigentümliche Benutzung der natürlichen
Maseung auffielen,
- die Madonna, der Gekreuzigte und Auferstandene, aber
auch kleine
- Tiere, Frösche oder Eidechsen in reduziert realistischer
Manier, die
- unmittelbar und allgemein gefielen.
Aber nicht nur die Bilder und ihre Entstehung, von ihm ausführlich
und
- eindringlich erläutert, waren für mich belehrend.Ebenso
waren es die
- daran anknüpfenden Gespräche über Malerei,
ihre großen Meister und
- Werke. Und es blieb nicht bei der bildenden Kunst. Außer
der maleri-
- schen verfügte Heinz Reinhold Koehler über
eine schöpferische sprach-
- liche Begabung, die sich in vielen, schon in Rußland
entstandenen form-
- schönen Gedichten und bewegenden Prosastücken
('Die Hungernovelle')
- äußerte. Er war ein begabter Vorleser nicht
nur der eigenen, sondern
- auch der Lyrik der großen neueren Dichter, die
ich durch ihn oft erst
- kennenlernte. Sein leicht gehobener, aber nie pathetischer
Tonfall ist mir
- immer noch im Ohr. Und schließlich ging es bei
diesen sich lang hinzie-
- henden Gesprä-chen um allgemeinste Fragen der Kunst,
Literatur und
- Philosophie.
Bald fand Heinz Reinhold Köhler ein angemessenes Atelier
in Neunkir-
- chen, in einem großen hellen Wintergarten bei Frau
Paula Sieg. Dort
- stand auch ein Klavier, auf dem ich oft üben durfte,
während der Maler
- an der Arbeit war. Bei manchen Gelegenheiten konnte ich
dort ihn und
- seine Gäste (er war ein vollendeter Gastgeber) auch
mit Beispielen der
- klassischen modernen Musik bekanntmachen, als kleiner
Dank für die
- empfangenen Anregungen.
Zu einigen Neunkirchener Familien knüpften sich schöne
Beziehungen.
- Das Haus Plontke wurde schon erwähnt; der Sohn Helmut,
Maler auch er,
- war ebenfalls gerade aus dem Krieg zurückgekommen
und ich konnte oft
- mit Spannung den freundschaftlichen Grundsatzdiskussionen
der beiden
- Kollegen beiwohnen.
Dann die Familie des Direktors Emil Häberle (seine beharrliche
Energie
- konnte die Erhaltung des von der besatzungsmacht mit
Schließung be-
- drohten Aluminium- werks durchsetzen), dessen Gattin
mit unermüdli-
- cher, lebenserhaltender Hilfe für die Evakuierten
Sorge trug, für Heinz
- Reinhold Köhler auch durch kleinere Aufträge
oder Ankäufe.
Schließlich Herr Dr. Uffelmann und Frau Hildegard,
Inhaber der Apo-
- theke, deren wunderbares Haus an der Hauptstrasse so
etwas wie ein Zen-
- trum für alle künstlerisch und geistig Interessierten
der Stadt und des
- Umlands war. In ihren schönen großen Räumen
wurden neu entstandene
- Bilder gezeigt und besprochen, es wurde vorgelesen, auf
dem guten
- Flügel musiziert, und nach für die damalige
Zeit reichlicher Bewirtung
- unermüdlich und heftig diskutiert, namentlich über
neu-ere Kunst und
- ihre Meister, deren Hauptwerke nach dem Kreig wieder
zugänglich
- wurden, aber ebenso engagiert über die Fragen und
Probleme eines neu
- erwachenden Geisteslebens überhaupt. Die originellen
Gedanken Heinz
- Reinhold Köhlers, erwachsen aus der persönlichen
Erfahrung des
- Schöpferischen, und seine ausgesprochene Lust an
ihrer oft überra-
- schenden und provokativen Formulierung waren die belebende
Essenz
- dieser Abende und Nächte.
Jürgen Klodt
- Freiburg
- 18. Juli 1999






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